Auf Anfrage einiger Leute habe ich eine kurze Skizze der Geschichte des alten Babylonien verfasst. Ich habe diesen Artikel geschrieben, weil JMS gesagt hat, dass es viele Parallelen zwischen Babylon 5 und dem alten Babylon gibt; aus demselben Grund muss ich jedoch sehr vorsichtig sein, damit dieser Artikel kein Haufen von etwas wird, das andere fuer "Story-Ideen" halten koennten. In anderen Worten, ich werde mein Bestes tun, babylonische Geschichte zu beschreiben, ohne jedoch meine Ueberlegungen darzustellen, inwiefern sich diese Geschichte auf Babylon 5 beziehen koennte - diese Folgerungen bleiben Euch als Lesern ueberlassen. Ich werde mich allerdings gerne darueber unterhalten, wo immer ihr wollt, nur nicht auf alt.tv.babylon-5 (das liest JMS zur Zeit). Achtung: Dies ist nicht als vollstaendige Geschichte Babylons zu gebrauchen (es hat nicht einmal entfernt Aehnlichkeit mit einer vollstaendigen Geschichte). Wenn ueberhaupt soll dies ein Hintergrund sein, eine Skizze der Entwicklung der Geschichte Babyloniens. Viele historisch wichtige Punkte sind hier nicht beruecksichtigt, aus Gruenden von Uebersichtlichkeit und Platz. ============================ Die meisten Wissenschaftler sehen den Aufstieg Hammurabis als Beginn der Geschichte Babylons an. Ich werde jedoch etwas weiter zurueckgehen und beschreiben, wie Hammurabi an die Macht kam. Am Ende des 2. Jahrtausends vor Christus (2050-2000) zerfiel das grosse Reich Sumer durch Eroberer von aussen. Sumer war ein maechtiges Koenigreich im westlichen Asien gewesen und hatte ungefaehr das Gebiet eingenommen, das eines Tages Babylonien werden sollte. Nachdem die Herrscherdynastie von Sumer gefallen war, drangen die Stadtstaaten Larsa und Isin ein, und eroberten das Gebiet. Jahrhunderte spaeter besiegte Larsa schliesslich Isin. Gerade als Larsa Isin besiegt hatte, kam Hammurabi in der Stadt Babylon an die Macht. Hammurabi besiegte daraufhin Larsa und gruendete ein riesiges Reich in jener Gegend, die zuvor Sumer gewesen war. Allerdings, wie Sabatino Moscati in seinem bekannten Buch "The Face of the Ancient Orient" erlaeutert: "das Verhaeltnis zwischen Akkadern [d.h. den Babyloniern ud Assyrern] und den Sumerern wird mehr und mehr wie das zwischen Roemern und Griechen. ...das neue Volk wird durchdrungen von der alten, ueberlegenen Kultur und kapituliert kulturell zum Zeitpunkt seines politischen Sieges." Es ist ueberfluessig zu erwaehnen, dass Hammurabi ein sehr faehiger militaerischer und politischer Fuehrer war; weiterhin zeigt die Tatsache, dass der "Hammurabi Code" (Auge um Auge, Zahn um Zahn) bis heute zitiert wird, seine Bedeutung. Hammurabis Dynastie, die sonst auch als Erste Dynastie von Babylon bezeichnet wird, blieb 200 Jahre lang an der Macht, bis 1530 vor Christus. Unter dieser Dynastie genoss Babylonien eine Periode extremer Fruchtbarkeit und relativen Friedens. Wie HWF Saggs in seinem Buch Everyday Life in Babylonia & Assyria jedoch feststellt, "es waere falsch, sich Babylon als einzigen bedeutenden Stadtstaat der Zeit vorzustellen." Saggs zitiert dann einen Brief, der um diese Zeit geschrieben wurde; darin heisst es: "Es gibt keinen Koenig, der fuer sich allein am staerksten ist. Zehn oder fuenfzehn folgen Hammurabi von Babylon, dieselbe Anzahl folgt [Larsa], dieselbe Anzahl folgt [Eshnunna], dieselbe Anzahl folgt [Qatanum] ..." etc. Fuenf Koenigreiche werden aufgezaehlt, die alle fuer gleichermassen maechtig erachtet werden, ausser einem, dem zwanzig Koenige folgen (statt fuenfzehn). Saggs nennt auch einen weiteren wichtigen Stadtstaat, die Mari. Der war ein Aussenposten von Sumer gewesen und "im fruehen 2. Jahrtausend vor Christus die Hauptstadt eines Reiches, das sich ueber 2000 Meilen am Fluss entlang erstreckte. 1796 erlebte es ... einen Dynastiewechsel [als Assyrien es uebernahm]". Es ebenfalls wichtig, wie Moscati im oben zitierten Buch feststellt, dass "unter Hammurabi, die Kulturen, die die mesopotamische Zivilisation ausmachen [die Assyrer und die Babylonier] vollstaendig und harmonisch verschmelzen. In der Zwischenzeit hatte allerdings ein Stamm, der als die Kassiten bekannt war, angefangen, Babylonien anzugreifen, und zwar schon zu der Zeit als Hammurabis Sohn das Reich regierte. Im Laufe der Jahrhunderte wurde Babylonien von den Kassiten geschwaecht. Schliesslich wurde um 1530 vor Christus (nach manchen Quellen auch 1570 oder 1595) eine kassitische Dynastie in Babylonien eingesetzt. Saggs beschreibt einen offenbar ueblichen Trend - die Kassiten uebernehmen viele der Braeuche ihrer Vorgaenger. Eine weitere Kultur, die Mitanni, baute waehrenddessen ihr eigenes maechtige Reich. Saggs sagt ueber die Mitanni, sie haetten "betraechtliche, wenn auch voruebergehende Bedeutung" gehabt - sie waren sehr maechtig, aber sie waren nur etwa 150 Jahre da. Dennoch waren die Mitanni eins der wichtigen Reiche der Gegend zu dieser Zeit, und sie schafften es, die Assyrer fast vollstaendig zu kontrollieren und zu unterwerfen. (Diese lebten direkt im Osten der Mitanni und im Nordwesten des kassitischen Babylonien). Ich erwaehne dies, weil die Assyrer, als sie sich schliesslich von den Mitanni befreit hatten (die ihre eigenen politischen Probleme hatten), die naechste Macht waren, die sich in Babylonien etablierte. Wieder macht Saggs eine relevante Bemerkung: "Wir haben bereits gesehen, dass Assyrien eine Zeitlang ein Vasallenstaat der Mitanni war [und von anderen Voelkern bedraengt wurde]. Die menschliche Reaktion auf diesen Druck war die Entwicklung eines robusten, kriegerischen Volkes, das bereit war, ruecksichtslos fuer die eigene Existenz zu kaempfen." Nachdem sie die Mitanni geschlagen und so gut wie annektiert hatten, festigten die Assyrer, wie gesagt, wieder ihre Stellung in Babylonien. Sie schwaechten Babylonien so weit, dass die kassitische Dynastie ihre Macht verlor; die Assyrer erreichten praktisch die Kontrolle ueber Babylonien, bis sie wiederum durch Revolten abgesetzt wurden, die eine neue Dynastie einsetzten; sie ist bekannt als die Zweite Dynastie von Isin. Nebuchadnezzar der Erste, aus dieser Dynastie, erweiterte Babylonien um eine Menge Land und brachte es schliesslich dazu, Assyrien anzugreifen. Durch den Zuzug nomadischer Staemme stuerzte Babylonien jedoch praktisch in Anarchie. Es blieb ueber 150 Jahre lang in diesem Zustand. Schliesslich, im Laufe des 9. Jahrhunderts vor Christus, traten die Chaldaeer (lateinisch Chaldaeus, griechisch Chaldaios, assyrisch Kaldu) auf den Plan, einer der maechtigsten Staemme ausserhalb Babylons. Die Chaldaeer kamen in Babylonien an die Macht und staerkten dadurch anscheinend die Stabilitaet und Macht Babyloniens. Sie wehrten viele Revolten und Angreifer ab. Der chaldaeische Einfluss war so stark, dass Babylonien in dieser Zeit als Chaldaea bekannt wurde. Im Jahre 626 vor Christus verhalfen die Chaldaeer Nabopolassar zur Macht in Babylonien. Zu dieser Zeit wurde Assyrien von einem iranischen Volk stark bedraengt, den Medern (aus Medien). Nabopolassar arrangierte ein Buendnis zwischen Babylonien und den Medern. Assyrien konnte diesem verstaerkten Druck nicht standhalten und im Jahre 612 vor Christus fiel Niniveh, die Hauptstadt Assyriens. Die ganze Stadt, einst die grandiose Hauptstadt eines grossen Reiches, wurde niedergebrannt und gepluendert. Spaeter erbte Nebuchadnezzar (der Sohn von Nabopolassar) das babylonische Reich. Er fuegte ein gutes Stueck Land zu Babylonien hinzu und baute Babylon wieder auf, das noch immer die Hauptstadt Babyloniens war. Babylonien hielt jedoch nach Nebuchadnezzars Tod nicht mehr zusammen. Nabonidus, der neue Koenig konnte anscheinend die verschiedenen Elemente der babylonischen Zivilisation nicht mehr vereinen. Um Funk und Wagnalls New Encyclopedia zu zitieren: "Als etwas raetselhafter Charakter, stellte er [Nabonidus] sich der einflussreichen Priesterklasse irgendwie in den Weg und machte sie sich zum Feind." Kurz nach dem Ende von Nabonidus’ Regierungszeit, fielen die Perser ein und eroberten das Land. Babylon fiel und stand nie wieder auf. "Und damit ist die Geschichte der alten mesopotamischen Reiche fuer immer zuende." [Moscati]. Zum Weiterlesen: HWF Saggs hat eine wunderbare Beschreibung babylonischer und assyrischer Kultur und Geschichte geschrieben: "Everyday Life in Babylonia and Assyria". Sabatino Moscati’s Klassiker "The Face of the Ancient Orient" (Orient bezieht sich hier wieder auf den Mittleren und Nahen Osten) ist immer hilfreich. Besonders nuetzlich war sein Kapitel ueber "Die Babylonier und Assyrer". Funk & Wagnalls New Encyclopedia, 1983, Band 3 (ASSIS-BERKS) gibt schoene, wenn auch kurze Zusammenfassungen sowohl assyrischer als auch babylonischer Geschichte. [Ausserdem braucht man nur einen Band aus dem Regal zu nehmen. :) ] Diese Quellen wurden zur Vorbereitung dieses Dokuments verwendet. ============================ Copyright 1994, Shawn Bayern. Permission granted to distribute noncommercially as long as this document (and this notice) is not changed in any way. Nicht-kommerzielle Verteilung erlaubt, solange dieses Dokument (und dieser Hinweis) in keiner Weise veraendert werden. Shawn Bayern bayern@cshl.org Uebersetzung: Katrin Thier